Der Bildungsstreik 2009 zeigte einerseits große öffentliche Präsenz. Andererseits blieb er im Kern bisher wenig substantiell.

Die derzeitigen Zustände und Entwicklungen im Bildungssystem sind nicht weiter hinnehmbar! Weltweit sind Umstrukturierungen aller Lebensbereiche nicht mehr gemeinwohlorientiert, sondern den sogenannten Gesetzen des Marktes unterworfen. Seit ein paar Jahren ist auch das Bildungssystem in den Fokus solcher „Reformen“ geraten: Bildungsgebühren und die Privatisierung treffen uns alle!

Die Finanz- und Wirtschaftskrise zeigt deutlich, dass die Auswirkungen wettbewerbsorientierter Entscheidungskriterien verheerend sind. In vielen Ländern protestieren Menschen dagegen, so z.B. in Mexiko, Spanien, Italien, Frankreich und Griechenland. In diesem internationalen Zusammenhang steht der Bildungsstreik 2009. Der anhaltende Protest gegen Studiengebühren und Sozialabbau in den letzten Jahren hat bei den Verantwortlichen in Medien, Wirtschaft und Politik zu wenig Wirkung gezeigt. Deswegen rufen wir nun dazu auf, unsere demokratischen Rechte in Form eines bundesweiten Bildungsstreiks wahrzunehmen. Hier werden pluralistische Aktionsformen (Demonstrationen, Blockaden, Besetzungen etc.) ihren Platz finden. Während einer bundesweiten Aktionswoche vom 25.-29.05.2009 werden wir gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern im gesamten Bundesgebiet demonstrieren. Wir suchen das Bündnis mit vielen gesellschaftlichen Gruppen, wie Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, die wir ausdrücklich einladen, mit uns zu protestieren, denn wir sind überall mit der gleichen Politik konfrontiert: An der Hochschule, in den Schulen und im Betrieb. Ziel des Bildungsstreiks ist es, eine Diskussion zur Zukunft des Bildungsystems anzuregen. Des Weiteren sollen Möglichkeiten einer fortschrittlichen und emanzipatorischen Bildungs- und Gesellschaftspolitk aufgezeigt und durchgesetzt werden.

Dem Einfluss der maßgeblichen politischen und ökonomischen Interessen im Bildungsbereich setzen wir unsere Alternativen entgegen:

  • selbstbestimmtes Lernen und Leben statt starrem Zeitrahmen, Leistungsdruck und Konkurrenzdruck,
  • freier Bildungszugang und Abschaffung von sämtlichen Bildungsgebühren wie Studiengebühren, Ausbildungsgebühren und Kita-Gebühren,
  • öffentliche Finanzierung des Bildungssystems ohne Einflussnahme der Wirtschaft unter anderem auf Lehrinhalte, Studienstrukturen und Stellenvergabe und
  • Demokratisierung und Stärkung der Mit- und Selbstverwaltung in allen Bildungseinrichtungen.

Wir, die Projektgruppe Bildungsstreik 2009, rufen zur Bildung regionaler und lokaler Bündnisse auf. Bringt Euch in unsere bundesweiten Planungen ein: Ein anderes Bildungssystem ist möglich – und dringend nötig!

Projektgruppe Bildungsstreik 2009

Die aktualisierte Liste der UnterstützerInnen findet sich auf unserer Homepage(Steht nicht mehr zur Verfügung!).

Man kann an dieser Stelle das wiederholen, was an anderer Stelle schon geschrieben und gesagt worden ist: Der Bildungsstreik war ein Erfolg in seiner Präsenz. Hunderttausende Bildungsstreikende auf Demonstrationen, zahlreiche Besetzungen von universitären Einrichtungen und Schulen, punktuell auch solidarische Zusammenarbeit mit Menschen, die sich im Arbeitskampf befinden. Medial kam insbesondere die zweite Welle des Bildungsstreiks im Herbst gut weg. Viele Berichte und Kommentare waren vergleichsweise annehmbar bzw. äußerten Verständnis und auch Zustimmung zu einzelnen, von den Journalisten wahrgenommenen, Forderungen der Protestierenden. Wohl auch durch diesen Umstand sahen sich viele Akteure, die sich als verantwortlich für die Bildungspolitik betrachten, genötigt, eifrigst ihr Verständnis für die Protestierenden öffentlich kundzutun und sogar der an den BA/MA-Studiengängen geäußerten Kritik in einzelnen Aspekten zaghaft zuzustimmen. Verteidigen wollte diese „Reform“ zunächst niemand mehr so recht. Erst die Vorsitzende der Hochschulrektorenkonferenz Margret Wintermantel machte im November einen deutlichen Ausfallschritt und keilte gegen die Protestierenden. Die TAZ stellte danach zu Recht fest, dass die Protestierenden Frau Wintermantel dankbar sein sollten, da diese aus der Kuschelfront ausscherte und klar stellte, dass Hochschulrektoren prinzipiell andere Interessen haben, als Studierende. Ansonsten gaben sich die Verantwortlichen eher handzahm, was auch daran liegt, dass Forderungen nach „guter Bildung“ jeder Politiker unterschreiben kann, handelt es sich dabei doch um etwas ähnliches wie das Einfordern von schönem Wetter.

Womit wir bei einem Themenfeld wären, auf dem der Bildungsstreik bisher keine besonders gute Figur abgibt: Es werden zwar Forderungen aufgestellt, die teilweise auch radikal klingen sollen, doch den meisten dieser Forderungen fehlt es an inhaltlicher Substanz, von einer einigermaßen durchdachten Strategie zu deren Umsetzung ganz zu schweigen. Ein Bildungsstreik bedingt dabei keine, wie manchmal verlangt, bundesweit „einheitlichen Forderungen“ – was bei den unterschiedlichen Situationen in den Ländern ohnehin unsinnig wäre. Nein, es bräuchte Strategien und Szenarien zur konkreten Aushandlung des Geforderten. Wo sind die Landespolitiker zu packen, wo die Bundesregierung, wo die Hochschulpräsidenten? Wenn schon Steuergeschenke als „Wachstumsbeschleuniger“ verteilt werden, wenn schon Banken milliardenschwer gestützt werden, warum kommt bei der Bildung so gut wie nichts an? Wenn schon die BA/MA-Studiengänge kritisiert werden, müssten sie umgestaltet oder abgeschafft werden und, wenn ja, wie soll das vonstatten gehen? Und wie soll – das wäre die Kernfrage – ein fortschrittliches Bildungssystem überhaupt aussehen? Es genügt nicht, von den Zuständigen nur konsumorientiert zu fordern, wenn gleichzeitig die Vermarktwirtschaftlichung der Bildung kritisiert wird. Es genügt aber auch nicht, Forderungen nach irgendwelchen „Systemwechseln“ in die Luft zu blasen, für die gar kein greifbarer Adressat vorhanden ist. Es werden die Politiker, die man als neoliberale Charaktermasken ausgemacht hat, nicht „das System“ ändern. Dies könnten nur „die Massen“ – und die wollen offensichtlich gar nicht.

Ergo: Was will der Bildungsstreik eigentlich? Unzufriedenheit demonstrieren oder Veränderungen anstoßen? Letzteres bedingte den mühsamen Gang durch das Jammertal des Studiums politischer Abläufe, bürokratischer Prozesse, der Funktionsweise universitärer Apparate und auf Basis dessen die Entwicklung eigener bildungspolitischer Kompetenz. Mit keiner Demonstration, Besetzung, Podiumsdiskussion der Welt kann solch eine Aneignung ersetzt werden. Aber wäre so eine trockene Ernsthaftigkeit überhaupt gewollt?

Um solcherlei Fragen wird sich konsequent herumgedrückt und lieber mit Dutzenden E-Mails über bundesweite Verteiler eine absonderliche Diskussion um die politische Nichtigkeit geführt, ob nun ein Linke.SDS-Aktiver in einer Talk Show auftreten darf oder nicht. Wenn sich hier nichts ändert, bleibt der Bildungsstreik angepasst an BA/MA-System und G8-Gymnasium: Eine Schmalspur-Veranstaltung.

Quelle: Bundesverband (Steht nicht mehr zur Verfügung!)

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