Vor ein paar Tagen veröffentlichte DIE ZEIT ein Interview mit dem Juso-Chef Kevin Kühnert. In diesem sprach sich Kühnert für eine Kollektivierung großer Konzerne aus: „Was unser Leben bestimmt, soll in der Hand der Gesellschaft sein und demokratisch von ihr bestimmt werden. Eine Welt, in der Menschen ihren Bedürfnissen nachgehen können. Eine Demokratisierung aller Lebensbereiche.“ Weiter erklärte er, dass er für eine Überwindung des Kapitalismus stehe. Für ihn sei das Ziel ein demokratischer Sozialismus. Auch Wohnungen sollten nur denen gehören, die darin wohnen.

Kurz darauf hagelte es aus allen Richtungen Kritik, sowohl aus der FDP und der CDU, als auch aus den eigenen Reihen und von den Grünen. So forderte etwa der CSU-Generalsekretär Blume die SPD-Spitze auf, sich von den Forderungen zu distanzieren. Die Grünen-Fraktionschefin erklärte: „Eine Kollektivierung oder Verstaatlichung der Autoindustrie löst keines der Probleme.“ Das SPD-Wirtschaftsforum forderte sogar den Parteiausschuss Kühnerts.
Wir als linksjugend [‘solid] Rheinland-Pfalz begrüßen, die aufgekommene Debatte über sozialistische Ideen. Unserer Meinung nach ist gerade in unserer Zeit die Notwendigkeit des Sozialismus aktueller als je zu vor. Nur durch einen radikalen Umbruch unserer Gesellschaft können wir die historischen Probleme unserer Zeit lösen. Auch stimmen wir Kühnert in vielen Aussagen zu, so etwa bei der Aussage, über die Klassengegensätze im Kapitalismus: „Es gibt Leute, die Kapital besitzen und Leute, die dieses Kapital erarbeiten.“ oder in der Aussage, dass die sogenannte soziale Marktwirtschaft nicht das gleiche sei, wie der Sozialismus: „[…] denn für viele Millionen Menschen bietet die sogenannte soziale Marktwirtschaft solche Freiheiten heute nicht.“
Gerade jetzt ist es wichtig zu erklären, dass hohe Mieten, fehlendes Pflegepersonal, niedrige Löhne und lange Arbeitszeiten keine Schönheitsmacken der kapitalistischen Wirtschaft sind, sondern elementare Bestandteile dieser. Es ist kein Zufall, dass Auszubildende und Arbeiter*innen unzählige Überstunden schuften, mehr als die Hälfte ihres Lohns für die Miete ausgeben und immer wieder Schikanen ausgeliefert sind. Der Kapitalismus fundiert auf diesen Missständen, um der herrschenden Klasse zu ermöglichen, ihr Kapital zu vermehren. Dies wird sich auch nicht mit ein paar Gesetzen und Reformen großartig ändern. Das Problem muss an der Wurzel angepackt werden.
Genau deshalb können wir Kühnerts Aussagen auch nicht ganz zustimmen. Er meint, dass das Kapital sich Schritt für Schritt einschränken lässt: „Ich versuche hingegen klarzumachen, dass sich alles in Schritten vollzieht.“ Für uns ist der Sozialismus nur durch einen revolutionären Bruch mit dem herrschenden Kapitalismus möglich. In reformistischen Ansätzen, wie sie Kühnert propagiert, sehen wir kein Erfolg.
Dies heißt aber natürlich nicht, dass wir soziale Verbesserungen, wie einen höheren Mindestlohn, niedrigere Mieten oder bessere Arbeitsbedingungen ablehnen. Im Gegenteil, gerade diese Kämpfe ermöglichen es, Bewusstsein für die eigene Lage zu schaffen und die Notwendigkeit einer sozialistischen Gesellschaft zu verdeutlichen.
Auch ist bei Kühnerts Äußerungen unklar, wie die Eigentumsfrage zu beantworten ist, denn er macht keinen Unterschied zwischen staatlichem und genossenschaftlichem Eigentum oder benennt die israelische Kibbuz-Bewegung als Beispiel für sozialistisches Wirtschaften.
Jetzt muss DIE LINKE und der Bundesverband der linksjugend [‘solid] diese gesellschaftliche Debatte aufgreifen und sie an den Punkten zuspitzen, wo der Juso-Chef bei einem reformistischen Ansatz stehen bleibt. Die Reaktionen von beiden waren leider bisher sehr zurückhaltend.
Wir als revolutionäre Sozialistinnen stehen ein für eine sozialistische Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, in der sich die strukturbestimmenden Bereiche der Wirtschaft, etwa die Grundstoffindustrien wie Metall und Chemie, die großen Banken, der Immobiliensektor, das Gesundheitssystem, die Versicherungswirtschaft, usw. in staatlicher Hand unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die Arbeiter innen und die Bevölkerung befinden. Die Produktion und Verteilung aller lebensnotwendigen Güter und Dienstleistungen wird nach gesellschaftlichen Bedürfnissen demokratisch geplant. Eine sozialistische Gesellschaft wird nicht von einem Parlament und Berufspolitikerinnen bestimmt, sondern durch Komitees in Betrieben, Wohnvierteln, Schulen, usw. von unten organisiert. Im Sozialismus sind wir alle diejenigen, die bestimmen, wie Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Kultur und vieles mehr funktioniert. So eine Gesellschaft hätte nichts mit den früheren stalinistischen Diktaturen in der UdSSR oder DDR zu tun, wo es zwar keinen Kapitalismus mehr gab, aber eine privilegierte Clique über Wirtschaft und Politik bestimmt hat.
Der Sozialismus setzt die wirtschaftliche und politische Entmachtung der jetzt im Kapitalismus herrschenden Klasse, der Bourgeoisie (die Eigentümer und Hauptaktionäre der großen Banken und Konzerne, die von fremder Arbeitskraft leben) voraus und kann nicht durch schrittweise Umformung der Marktwirtschaft in eine bessere, sozialistische Gesellschaft erreicht werden, sondern nur durch kollektives Handeln der arbeitenden Klasse, der großen Mehrheit der Bevölkerung, die heute vom täglichen Verkauf ihrer Arbeitskraft leben muss. Aufgrund der internationalen Verzahnung der Produktion kann mit der Entmachtung des Kapitals in einem Land begonnen, so eine Gesellschaft aber nur international aufgebaut werden. Sozialistische Politik ist Klassenpolitik für das Proletariat, für die Klasse der Lohnabhängigen.
Für so eine Politik setzen wir uns ein – in der linksjugend [’solid], auf der Straße, im Betrieb, in Schulen und Unis, und überall, wo wir aktiv sind.
Macht mit!