Verfasst von linksjugend [’solid] Bad Kreuznach

„Einmal bitte die Personalausweise, wir machen nun eine Personenkontrolle“ – Der Tag nach der Anreise in Alzey begann und blieb vergleichsweise hektisch für die knapp 40 Gegendemonstrant*innen, die am Samstag gemeinschaftlich versuchten, die Kundgebungen der faschistischen Kleinstpartei „DIE RECHTE“ zu stören. Bereits kurz nach Ankunft der Basisgruppen Mainz und Bad Kreuznach (u.a.), zeigte die Polizei eine verstärkte Präsenz und unterzog die Angereisten einer 20-30 minütigen Kontrolle, wodurch es schwerer wurde sich vor Beginn der Kundgebungen der rechten Gruppierung um Florian Grabowski („DIE RECHTE“) strategisch vorteilhaft zu positionieren.
Nach ein paar schnelleren Schritten hatten es schließlich jedoch trotzdem alle Gegendemonstrant*innen geschafft vorort zu sein, als sich in Sichtweite eine Ansammlung von knapp 15 Personen, darunter viele bekannte Neonazis, auf dem Rossmarkt versammelten. Die Intention hinter einem gemeinsamen Lauschen „patriotischer“ Musik, wie Grabowski es nannte, und vereinzelten, leisen Redebeiträgen, blieb ungeklärt.
Wie bereits zu erwarten rückte daraufhin die Auseinandersetzung mit der Polizei in den Vordergrund, es wurden anlasslose Forderungen nach einer Rückwärtsbewegung des Gegenprotests gestellt und möglichst rabiat gegen die Teilnehmer*innen vorgegangen, um eine gezielte Eskalation hervorzurufen.
Ein Beamter mit hoch-rotem Gesicht verlor die Fassung, nachdem die Definition von „2 Meter zurücktreten“ bereits auf mindestens 10 Schritte ausgeweitet worden war und schlug wütend auf einen der Gegendemonstranten ein. An diesem Punkt blockierte die Bereitschaft zurückzutreten von Seiten des Protests schließlich, woraufhin mit Pfefferspray, Schlagstock und Hunden gedroht wurde. Auf Nachfrage, warum man denn zurückgedrängt würde, antwortete ein anderer Polizist mit „Verpiss‘ dich, wenn ich nicht hier [vermutl. in Uniform] wäre, hätte ich euch schon lange auf die Fresse gegeben“. Man erklärte uns im direkten Gespräch, dass man in solchen Situationen eine Beschwerde bzw. eine Anzeige gegen jenen Beamten einreichen solle, dass dieser währenddessen weiterhin Leute physisch attackierte, interessierte keinen der Kollegen.
Die Rechten zogen weiter nach Wörrstadt, gleichzeitig drohte unseren Gegendemonstrant*innen eine Einkesselung durch die Polizei, die mittlerweile viele der Seitenstraßen in der gemütlichen Alzeyer Innenstadt blockierte. Aus taktischen Gründen wurden Teile des Protests daraufhin schrittweise aufgelöst, was allerdings nicht gegen erneute Personenkontrollen half.
Das größte Übel schien abgewendet, man schaffte es schließlich zum Bahnhof und weiter nach Wörrstadt, wo die zweite von drei geplanten Kundgebungen der selbst-erklärten „Verteidiger des Vaterlandes“ abgehalten werden sollte.
Auch hier waren trotz der vorausgegangen Schikane genügend Protestierende vorhanden, um lautstark Präsenz gegen die Rechten zeigen zu können. Die Dynamik und Geschwindigkeit des Demozugs erhöhte sich enorm, als ein kleiner Trampelpfad die vorteilhafte Positionierung in Sichtweite zur Kundgebung der Rechten bot. Die Moral der Teilnehmer*innen unserer Gegendemonstration erhöhte sich, der Protest war erfolgreich. Besonders effizient schienen hierbei Sprechgesänge wie „Ihr habt den Krieg verloren…“ oder „Ihr seht ja garnicht arisch aus…“, die von Seiten der Bürgerinnen und Bürger als humorvoll betrachtet wurden und den Rechten ein Dorn im Auge schienen.
Schließlich zog die Gruppe um Grabowski in Richtung Wöllstein ab, woraufhin man sich von Seiten einiger Vertreter*innen der Gegendemonstration zu einer Sponti bis zum Wörrstädter Bahnhof entschloss, wo der Tag für die meisten aufgrund der unvorteilhaften Zugverbindungen endete.

Aus den Ereignissen in Alzey und Wörrstadt lassen sich mehrere Lehren ziehen:

1. Wie bereits oft angemerkt, handelt es sich bei Begegnungen mit einigen Polizist*innen weniger um „Freund und Helfer“, als dies zu hoffen wäre. Es wird sich kaum bis nicht an die Rechtslage gehalten und erhöhte Aggressivität sowie Gewaltbereitschaft zeichnen das Verhalten dieser Beamten.
Eine Verschärfung des Polizeigesetzes, wie sie in den letzten Monaten in vielen Bundesländern zu sehen war, scheint hierbei keine Lösung zu sein. Viel mehr wird in unseren Augen dadurch die Versammlungsfreiheit und das Recht auf Unversehrtheit der Demonstrierenden weiter und weiter eingeschränkt, wobei die gesetzliche Ungleichheit zwischen Polizist*in und Bürger*in schamlos ausgenutzt wird.

2. Die Rechten profitieren durch das aggressive Polizeiverhalten, da die Legitimation einer Gegendemonstration im öffentlichen Auge durch nur teilweise oder nicht korrekte Aussagen von Seiten einiger Polizist*innen beeinträchtigt wird. Wenn bereits der Kollege in der zweiten Reihe den Wutausbruch seines Vordermanns „nicht mitbekommen“ haben will, lässt sich bei den Aussagen der Beamten in diesem Fall (Alzey) nicht von Kredibilität sprechen.
Die Interessen des Protests werden ergo falsch dargestellt und man wird der Gewaltbereitschaft bezichtigt, da dies ein einfaches Argument zum Überspielen der sozialen Verpflichtung, die wir empfinden, zu sein scheint. Ungehindert davon können Nationalist*innen und Rechtsradikale weiterhin ihre menschenverachtende Propaganda auf die Straßen bringen. Hierzu müssen wir uns weitere Gedanken machen.

3. Gruppendynamik, Geschwindigkeit und die interne Moral einer Demonstration sind elementar für das Gelingen einer Aktion. Vorherige Konversationen, zwischenzeitliche Diskussionen bis hin zu Nachbesprechungen könnten hierbei sehr sinnvoll sein. Passt auf einander auf Genoss*innen!

Solidarische Grüße

linksjugend [’solid] Bad Kreuznach

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