Der Pride Month ist vorbei und damit auch die sich jährlich wiederholende Periode in der sämtliche Großkonzerne via Social Media Profilbild ihre “Solidarität” ausdrücken. Auch außerhalb der sozialen Medien sehen wir um den Juni herum überall Varianten der Regenbogenflagge.
Durch dieses Rainbow Marketing scheint es, als würde die gesellschaftliche Akzeptanz überall steigen. 83% der deutschen Bevölkerung waren 2017 bereits Befürworter:innen der gleichgeschlechtlichen Ehe. Mit jedem Jahr gewinnen mehr und mehr Menschen den Mut sich öffentlich als LGBTIQA* zu outen und das ist gut so!
Doch selbst Parteien wie die britischen Tories schmückten sich 2021 noch mit einem Regenbogenprofilbild auf Social Media. Im gleichen Atemzug wird dort trotzdem immer noch Margaret Thatcher gefeiert, obwohl diese homofeindliche Gesetzgebung verantwortete, bspw. dass Lehrer:innen an Schulen nicht positiv über Homosexualität sprechen durfen. Dieses Gesetz hielt bis ins Jahr 2003.
Aber … wie lässt sich das miteinander vereinen? Gar nicht!
Der Trend, dass sich Unternehmen öffentlich als Unterstützer*innen der LGBTIQA*- Bewegung zeigen wird auch Regenbogenkapitalismus genannt. Während dies zwar indikativ für einen positiven gesellschaftlichen Wandel ist und bessere Repräsentation dazu führen kann, dass gesellschaftliche Akzeptanz steigt und Menschen sich stärker mit dem Thema auseinandersetzen, müssen wir das Einnehmen der Bewegung durch diese Kräfte um jeden Preis verhindern, denn diese Unternehmen sind nicht auf unserer Seite, nur weil sie einmal im Jahr eine Pride-Flagge zu Werbung nutzen.
Die Solidarität von Unternehmen die Geld an queerfeindliche Parteien/Politiker:innen spenden, die internationale Arbeiter:innenklasse Tag für Tag ausbeuten und Fortschritt an allen Ecken verhindern, ist im Endeffekt nichts wert und trägt die Gefahr mit sich, dass aus einer kämpferischen Bewegung eine bürgerliche Bewegung für das Aufrechterhalten des Status quos wird. Genau dieser Prozess ist schon seit langer Zeit zu beobachten, zumal Marketing mit Regenbogenflagge natürlich auch in erster Linie den Profit auf Kosten der Arbeiter:innen steigern soll.
Gleichzeitig wird immer mehr versucht die LGBTIQA*-Bewegung von der Arbeiter:innen-Bewegung zu trennen. Zum einen von Linkskonservativen wie Sahra Wagenknecht, die so tun, als wäre der Kampf für Befreiung der LGBTIQA*-Community abgesondert oder sogar entgegengesetzt zu dem für die Befreiung der Arbeiter:innenklasse. Ironischerweise bezeichnet sie das Kämpfen für LGBTIQA* Befreiung als spalterisch während sie selbst probiert die Kämpfe voneinander abzutrennen. Dabei leben LGBTIQA*-Menschen überproportional häufig in Armut und leiden als Teil der Arbeiter:innenklasse an Ausbeutung, häufig zusätzlich verbunden mit Diskriminierungserfahrungen bspw. bei der Jobsuche. Insbesondere Trans*-Personen leiden außerdem an erschwertem Zugang zu medizinischer Versorgung und werden häufiger Opfer von Delikten (sexualisierter) Gewalt.
Zum anderen passiert diese Trennung von LGBTIQA*-Community und Arbeiter:innenklasse von kleinbürgerlichen (Links-) Liberalen die mit den Problemen der Arbeiter:innenklasse nichts zu tun haben wollen. Die sich zwar gesellschaftlich links positionieren aber sich vor einer Klassenanalyse oder dem Klassenkampf sträuben und die Verbesserungen der Lebensbedingungen aller Menschen nicht im Sinn haben oder für notwendig empfinden. Dazu zählt auch der Gedanke, nur durch Reformen könnten dauerhafte Verbesserungen erkämpft werden. Diese sind, wie die Ehe für alle beispielsweise, zwar natürlich zu begrüßen, doch gerade die neuen Abtreibungsgesetze in den USA zeigen, dass ehemalige positive Reformen immer wieder rückgängig gemacht werden können, Verbesserungen uns durch die Herrschenden also auch immer wieder genommen werden können.
Doch auch Institutionen wie die Ehe und die Idee der bürgerlichen Kleinfamilie, die uns immer noch oft als einzig wahres Lebens- und Familienmodell propagiert wird, dient als Stütze der Klassengesellschaft. Im Kapitalismus trägt sie bspw. direkt dazu bei, dass insbesondere Frauen unbezahlte Reproduktions- und Care-Arbeit leisten. Diese Idealisierung brachte gleichzeitig auch lange Zeit das Abstoßen anderer Lebens- und Beziehungsmodelle sowie anderer Sexualitäten mit sich, die einerseits nicht der “Norm” entsprachen und gleichzeitig die für den Kapitalismus perfektionierten Bedingungen zu untergraben scheinen.
All dies zeigt, dass es echte Befreiung von der Unterdrückung nicht im Kapitalismus geben kann. Denn LGBTIQA*-Feindlichkeit wird niemandem angeboren und ist nur nützlich für die Herrschenden, um eine breite Bewegung gegen den kapitalistischen Irrsinn zu verhindern und die Arbeiter:innenklassse aufzuspalten.
Die Geschichte der LGBTIQA*-Bewegung war schon immer kämpferisch. Die ersten Pride-Demos in den USA wurden nicht zusammen mit Polizisten, Kapitalisten und konservativen Politikern gefeiert. Stattdessen wurde gegen genau diese Gruppen gekämpft. In Vergessenheit gerät häufig, dass die Geschichte des Pride-Months mit den Stonewall Riots beginnt. Die Stonewall Riots (1969) waren kämpferische Proteste der LGBTIQA*-Bewegung nachdem eine bekannte “gay bar”, das Stonewall-Inn, von Polizisten gestürmt wurde. Jene Proteste wurden gewaltsam, nachdem Protestierende von der New Yorker Polizei angegriffen wurden.
Diese Energie wurde über die Jahrzehnte verwässert. Antikapitalistische oder systemkritisches Gedankengut findet sich auf Pride-Paraden mit den Jahren weniger und weniger. Dabei sind die Probleme im System nicht verschwunden.
Die Suizidrate unter LGBTIQA*-Jugendlichen ist immer noch überproportional hoch, von der Lage der LGBTIQA*-Community in der neokolonialen Welt ganz zu schweigen. Viel wurde in den letzten Jahrzehnten erkämpft. Trotzdem muss klar sein: die LGBTIQA* Community wird nie und nicht dauerhaft befreit sein während wir im Kapitalismus leben.
Pride muss wieder kämpferisch werden ✊
Wir fordern deshalb:
• Gemeinsam und solidarisch gegen Kapitalismus, für die Befreiung von uns allen!
• Für kämpferische Gewerkschaften, die nicht nur gegen Entlassungen und Verschlechterungen für die Arbeiter:innenklasse kämpfen, sondern auch jeder Form von Diskriminierung entschlossen entgegentreten!
• Für gemeinsamen Widerstand aller von Diskriminierung und Sozialabbau Betroffenen!
• Für ein uneingeschränktes Asylrecht und Anerkennung sexueller und queerfeindlicher Verfolgung als Asylgrund!
• Für die Gleichstellung aller Lebensweisen – egal ob verheiratet oder nicht!
• Für vorurteilsfreie sexuelle Aufklärung von Jugendlichen an Schulen und durch öffentliche staatlich finanzierte Projekte!
• Für die freie Entscheidung über unsere Körper ohne staatliche oder religiöse Mitbestimmung!
• Für ein öffentliches und kostenloses Gesundheitswesen für Alle, das auch Geschlechtsangleichungen miteinschließt!
- Für das vollständige Verbot von sogenannten Konversionstherapien!
- Für ein Ende von Ausbeutung und Unterdrückung. Kapitalismus abschaffen – für sozialistische Demokratie weltweit!