Beschluss der Landesmitgliederversammlung vom 08.-10. Juli 2022 in Balduinstein

Gegen Queerfeindlichkeit und Kapitalismus!

Betrachtet man die Situation heute könnte man meinen, die Emanzipation von queeren Menschen gehe immer weiter voran. Einmal jährlich werden bunte und laute CSD-Paraden in allen größeren Städten gefeiert. Die Ehe für alle wurde 2017 auch in Deutschland eingeführt. Musiker:innen, Filmstars und Influencer:innen leben ihre Geschlechteridentität und Sexualität offen aus. Ein Selbstbestimmungsgesetz ist in Planung. Also alles auf dem besten Weg? Viele dieser Errungenschaften fühlen sich – gerade, weil für dafür lange und teilweise hart gekämpft werden musste – bedeutender an als sie eigentlich sind. Sie sind auch nicht so sicher wie es vielleicht den Anschein hat. Gesetze und Rechte können von den Regierenden erlassen aber auch wieder zurückgenommen werden. Immer noch dominieren uns veraltete Geschlechterrollen und ein vorurteilsfreier Umgang mit Sexualität und Geschlechteridentität findet bei weitem nicht überall statt. Die Fokussierung von queeren Vereinigungen auf Lobbyarbeit hat Illusionen geschürt, dass eine rein rechtliche Gleichstellung und Sichtbarkeit auch zu einer vollständigen Überwindung von Diskriminierung im bestehenden System führen würde. Gleichzeitig existiert immer noch eine reale Bedrohung queerer Menschen, wie unter anderem die Anschläge auf LGBTIQA*-Nachtclubs in Orlando 2016 und in Oslo 2022 auf traurige und schlimme Weise verdeutlichten.

Von der Erweiterung bis zur Einschränkung unserer Rechte

Während die Abschaffung von §219a bereits begrüßenswert ist, sodass nun über Abtreibungen informiert werden kann, sollten wir weiter für die Abschaffung von §218 kämpfen, sodass Schwangerschaftsabbrüche generell straffrei sind. Dass dies möglich ist, zeigen schon die Errungenschaften der Russischen Revolution vor über 100 Jahren. Neben zahlreichen generellen ökonomischen und gesellschaftlichen Verbesserungen wurden Abtreibungen straffrei. Leider wurde dies zwischen 1936 und 1955 durch die Politik Stalins wieder zurückgenommen. Die Abschaffung dieser Paragrafen ist längst überfällig, da sowohl Frauen als auch die gesamte LGBTIQA*-Community davon profitieren würde. So geht es bei der Illegalität von Abtreibungen ebenso wie bei der Selbstbestimmung von Trans*-Personen um Selbstbestimmung über den eigenen Körper ohne eine staatliche Einschränkung oder Kontrolle dessen.

Gleichzeitig ist die internationale Entwicklung mancherorts wenig erfreulich. In den USA wurden nun in vielen Bundesstaaten Abtreibungen illegal und Aktivist:innen der LGBTIQA*-Community befürchten, dass dies in Zukunft auch die Einschränkung der Rechte queerer Menschen mit sich bringen könnte. In vielen Ländern sind die Repressionen gegen die LGBTIQA*-Community noch sehr viel größer. Pride Paraden werden verboten, Demonstrierende festgenommen. Homosexualität ist in manchen Ländern sogar verboten und wird strafrechtlich verfolgt – in manchen Fällen mit Todesstrafe. Dies alles zeigt, dass wir uns gemeinsam und international organisieren müssen, für ein selbstbestimmtes und freies Leben!

Rechte von Trans*- und nicht-binären Personen

Seit Jahrzehnten müssen Trans*-Menschen tagtäglich Diskriminierung bei der Jobsuche, im Beruf oder im Alltag über sich ergehen lassen. Sie werden regelmäßig vom Arbeitsleben ausgeschlossen, sind häufiger Opfer sexualisierter Gewalt am Arbeitsplatz und werden auf der Straße oft kritisch beäugt oder beleidigt. Gerade für Trans*-Personen in der Arbeiter:innenklasse bringt das auch große ökonomische Probleme oder Abhängigkeiten mit sich. Wie bei allen queeren Personen können finanzielle Probleme schließlich auch dazu führen, dass der Ausbruch aus gewalttätigen Beziehungen oder Familien erschwert oder unmöglich wird, sodass Sicherheit und ein selbstbestimmtes, freies Leben kaum gewährleistet werden können. Das Coming Out und die langwierigen Verwaltungs-, so wie medizinischen Prozesse sind eine Belastung für die Psyche vieler Trans*-Personen. Wir brauchen einen einfacheren Zugang zu medizinischer, sowie psychologischer Beratung. Dabei darf es keine unnötig langen Wartezeiten für den Beginn von Hormontherapien geben, stattdessen muss individuell auf die Bedürfnisse von Trans*-Personen eingegangen werden. Die Abschaffung des „Transsexuellengesetzes“, das mit dem „Selbstbestimmungsgesetz“ ersetzt werden soll sind begrüßenswerte geplante Veränderungen für Trans*-Personen und nicht-binäre Menschen. Es sollte jedoch klar sein, dass der Kampf damit nicht beendet ist und Diskriminierung, Gewalt und Trans*feindlichkeit weiterhin bekämpft werden müssen!

Auf welcher Seite stehen wir?

Homo- und Trans*feindlichkeit fallen nicht vom Himmel, sondern werden von Staat, Kirchen und rechten Parteien immer wieder heraufbeschworen. Für queere Personen gehören Diskriminierung, Anfeindungen oder Ausschluss aus der Gesellschaft oft zum Alltag. Die sexuelle Orientierung oder die Geschlechteridentität legen nicht die politische Einstellung fest. Somit ist es nicht damit getan queere Menschen in Machtpositionen zu bringen, um Unterdrückung aufzuheben. Auch wenn es einzelne Personen unter den Herrschenden geben mag, die durchaus gewillt sind Verbesserungen für queere Menschen zuzulassen, sind sie doch in den Zwängen des Kapitalismus gefangen, welcher Ausbeutung, Elend und Krise bedeutet und somit Ungleichheit erzeugt. Wir haben viel mehr mit unseren nicht queeren Kolleg:innen und Nachbar:innen gemeinsam als mit Jens Spahn, Alice Weidel oder Caitlyn Jenner. Die bestehende kapitalistische Ordnung profitiert davon unsere Unterschiede zu betonen, uns gegeneinander auszuspielen und so unsere Klasseninteressen zu verwischen.

Konzerne profitieren davon, wenn sie sich einem gesellschaftlichen Trend anschließen und zum CSD ihre queerfreundliche Marketingtrommel rühren. Aber das sollte uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Unternehmen von einer in Geschlechter, Identitäten, Nationalitäten usw. gespaltenen Gesellschaft profitieren. In Zeiten von wirtschaftlicher Unsicherheit wird nach Sündenböcken gesucht, um von den wirklichen Problemen und Ursachen der Krise abzulenken. Dabei greifen vor allem Rechte gerne auf Homo- und Trans*feindlichkeit zurück. Wo dies Erfolg hat, ist ein gemeinsamer Kampf gegen Niedriglöhne, Entlassungen und Sozialabbau nicht mehr möglich. Wer sind also unsere Bündnispartner:innen im Kampf um Gleichstellung?

Identitätspolitik vs. Klassenkampf

Durch die Gesellschaft geht ein tiefer Riss: zwischen denen, die Produktionsmittel besitzen, und denen, die arbeiten müssen, um zu überleben. Das sind auf der einen Seite Kapitalist:innen, die nur einen Bruchteil der Bevölkerung ausmachen, und auf der anderen Seite Arbeiter:innen, die die große Mehrheit bilden. Letztere müssen bis ins hohe Alter schuften, und das nur dafür, dass am Ende ein großer Teil des Wertes, den sie produzieren, an ihre Arbeitgeber:innen, also die kapitalistische Klasse, geht.

Der Kapitalismus stützt sich vor allem auch auf die Spaltung der Arbeitenden und Erwerbslosen in ihre sexuelle Orientierung, Geschlecht, Herkunft, Nationalität und vieles mehr, um die Herrschaft einer kleinen Minderheit an Kapitalist:innen über die Mehrheit der Bevölkerung sicher zu stellen. Homo- und Trans*feindlichkeit sind Mittel, um die Gesellschaft zu spalten. Der Kampf um geschlechtliche Gleichberechtigung und sexuelle Selbstbestimmung ist und bleibt wichtiger Bestandteil von linker Politik. Jedoch bietet er nicht die Grundlage die Verhältnisse, in denen wir leben – die Produktionsverhältnisse – grundlegend zu verändern. Nur wenn wir unsere Kämpfe für Gleichberechtigung als Teil der Kämpfen der Arbeiter:innenklasse verstehen, können wir die Kraft entwickeln an den Grundpfeilern dieses Systems zu rütteln.

Wie der Bergarbeiter:innenstreik 1984/85 in Großbritannien, der durch LGSM (Lesbians and Gays Support the Miners) unterstützt wurde, zeigte, konnte in den folgenden Jahren mit der Unterstützung der mächtigen Bergarbeiter:innengewerkschaften der nötige Druck aufgebaut werden, um z.B. die Unterstützung der Rechte von Homosexuellen in das Programm der Labour Party aufzunehmen. Vor allem Gewerkschaften müssen eine besondere Rolle dabei einnehmen gegen homo- und trans*feindliche Praktiken – gleiches gilt für Rassismus und Sexismus – am Arbeitsplatz vorzugehen und die Solidarität zwischen den Kolleg:innen zu schärfen. Wenn der Kapitalismus nicht in der Lage ist echte Gleichstellung und Gerechtigkeit herzustellen, für welche Gesellschaft kämpfen wir dann?

Sozialistische Gesellschaft

Wir kämpfen für eine sozialistische Gesellschaft, in der das Profit- und Konkurrenzsystem beseitigt ist und die Wirtschaft demokratisch nach den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen geplant wird. Nur so können wir die Voraussetzungen schaffen, um Diskriminierung den Boden zu entziehen. Vorurteile, Ängste und Spaltung würden ihre Grundlage verlieren. Der Kapitalismus schafft sich aber nicht von selbst ab, sondern kann nur überwunden werden, wenn wir uns gemeinsam organisieren und queere Menschen mit dem Kampf für Gleichstellung nicht allein lassen.

Wofür wir kämpfen:

• Für gemeinsamen Widerstand aller von Diskriminierung und Sozialabbau betroffenen!

• Für kämpferische Gewerkschaften, die nicht nur gegen Entlassungen und Verschlechterungen für die Arbeiter:innenklasse kämpfen, sondern auch jeder Form von Diskriminierung entschlossen entgegentreten!

• Für ein uneingeschränktes Asylrecht und Anerkennung sexueller und queerfeindlicher Verfolgung als Asylgrund!

 • Für die Gleichstellung aller Lebensweisen – egal ob verheiratet oder nicht!

 • Für vorurteilsfreie sexuelle Aufklärung von Jugendlichen an Schulen und durch öffentliche staatlich finanzierte Projekte!

 • Für die freie Entscheidung über unsere Körper ohne staatliche oder religiöse Mitbestimmung!

 • Für ein öffentliches und kostenloses Gesundheitswesen für Alle, das auch Geschlechtsangleichungen miteinschließt!

 • Für das vollständige Verbot von sogenannten Konversionstherapien!

• Gemeinsam und solidarisch gegen Diskriminierung und Kapitalismus, für die Befreiung aller Menschen! Für sozialistische Demokratie weltweit!

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